Aargauer Zeitung, 04.04.03

Bei Bosshards geben die Gäste den Ton an

FRICK · Zum mittlerweile siebten Mal ist das «Manila Vocal Ensemble» bei der Fricker Familie zu Gast

Zu Hause, da hat es jetzt etwa 33 Grad. Und auch sonst ist auf den Philippinen einiges anders als in der Schweiz. Dennoch fühlen sich die Mitglieder des «Manila Vocal Ensemble» im Haus der Familie Bosshard wie daheim - geniessen sie doch zum siebten Mal die Fricker Gastfreundschaft.

André Hönig

Wie jetzt? Links oder rechts herum drehen? Die beiden Tänzerinnen, die gerade noch so wunderbar graziös und dazu noch synchron zum Takt des Ganza, einem der Trommel ähnlichen Musikinstrument, ihre Gliedmassen bewegt haben, sind für einen kurzen Augenblick irritiert. Was folgt ist ein kurzer - für Ohren, die des Philippinischen unkundig sind, kaum nachvollziehbarer - Wortwechsel mit Chorleiter Thomas Cabantac. Dieser endet damit, dass der 46-Jährige kurzerhand die Figur selbst vorführt.

Perfektion bis ins Detail, darauf legt der Chorleiter höchsten Wert. Und deshalb wird täglich geübt, obwohl doch das Programm längst einstudiert ist. Was nicht heisst, dass Cabantac aus dem Üben eine sture, humorlose Wissenschaft machen würde (obwohl der Musiklehrer tatsächlich Professor an der Universität von Manila war). Im Gegenteil. Es wird geschmunzelt, gekichert, gelacht.


Jährlich erneuerte Freundschaft Margreth Bosshard (stehend, Zweite
von links) und ihre Familie beherbergen Jahr für Jahr mehrere Wochen
Thomas Cabantac (stehend, Zweiter von rechts) und sein
«Manila Vocal
Ensemble»
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Hönig

«Höflich, freundlich, hilfsbereit»

«Das machen sie eigentlich ständig», sagt Margreth Bosshard, die auch sonst einiges über philippinische Lebensart zu erzählen weiss. In gewisser Weise studiert sie dieser Tage hautnah philippinische Volkskunde. Das Studienobjekt - in diesem Falle 9 philippinische Sänger und Tänzer, durchschnittlich Mitte 20, sowie ihr Chorleiter - probt seine stimmlichen und tänzerischen Fähigkeiten nämlich in ihrem Wohnzimmer, schläft in ihren Betten, isst an ihrem Tisch. Rund 6 Wochen gastiert das Ensemble während seiner diesjährigen Europatournee in der Schweiz, die meiste Zeit davon sind dessen Mitglieder bei der Familie Bosshard in deren Einfamilienhaus an der Hauptstrasse untergebracht, Ausgangspunkt für Auftritte in der Schweiz, in Deutschland und in Frankreich. Geboten werden weltliche Musik, philippinische Volkstänze und Volkslieder. Nicht weniger als 41 Konzerte stehen in der Zeit vom 30. März bis 11. Mai auf dem Programm. Stressig für die Ensemble-Mitglieder, die zum Teil zum ersten Mal im Ausland sind. Aber auch stressig für die Gastfamilie - sollte man zumindest meinen. Doch Margreth Bosshard wiegelt ab. Das Haus sei gross genug, die Filipinos, nicht nur äussert höflich und freundlich, sondern auch hilfsbereit. So würden sie hier nicht nur proben und schlafen, sondern auch für sich selber kochen (asiatische Gerichte, für die Bosshard 50 Kilo Reis und mehrere hundert Eier eingeplant hat), zudem sich andere Arbeiten im Haushalt teilen. Ihr Fazit: «Das ist für uns keine Belastung, sondern eine Bereicherung.» Seit der Gründung im Jahr 1982 hat das Ensemble, früher als «Philippino Coro Classico» bekannt, 2 Welt- und 19 Europa-Tourneen absolviert. Ende der 80er-Jahre war es auch erstmals in der Schweiz - auf Einladung einer philippinischen Familie aus Frick. Diese wohnt, wie es der Zufall so will, Gartenhag an Gartenhag mit der Familie Bosshard. So kam es zum ersten Kontakt - aus dem mittlerweile eine tiefe Freundschaft geworden ist.

 

Auf Sponsoring angewiesen

Zum siebten Mal sind sie nun heuer hier. Für Margreth Bosshard - die nicht nur auf das Einverständnis ihrer Kinder, sondern auch auf die Hilfe ihres Mannes und von Bekannten zählen kann - eine Möglichkeit, ihre Freude an kultureller Vielfalt auszuleben und andere daran teilhaben zu lassen. «Fürs Mitsingen reicht es leider nicht. Aber dafür habe ich eine Begabung, Kontakte zu schaffen.» Und die ist für das Ensemble äusserst hilfreich. So organisiert sie mittlerweile alle Konzerttermine.

Nach Unterkunft und Verpflegung eine weitere Entlastung für Cabantac, der für all das («dieses Haus ist wie eine Heimat für uns»), wie er beteuert, sehr dankbar sei. Ist doch sein Ensemble ohnehin auf Unterstützung und Sponsoring angewiesen. Aus eigener Tasche könnte kein Mitglied die Reise bezahlen. Anfangs finanzierte Cabantac die Tourneen deshalb aus eigener Tasche. Genauer gesagt nahm er dafür Kredite auf, die er mit horrenden Zinsen zurückzahlte. Mittlerweile indes können die Reisekosten durch Gagen sowie durch privat finanzierte Vorschüsse gedeckt werden. Stellt sich die Frage: Warum das Ganze? Um dies zu beantworten, muss Cabantac, der dank eines Studienaufenthalts in Köln Deutsch versteht, sich aber lieber in Englisch unterhält, etwas weiter ausholen. So will er einerseits «der Welt die guten Seiten der philippinischen Kultur» zeigen. Eine Kultur, die auf Fröhlichkeit und tiefer Religiosität basiert, und von der vor allem eines ausgehe: Friedfertigkeit. Andererseits dienen diese Tourneen dazu, den Mitgliedern seines Ensembles - das er jedes Jahr neu mit Musikstudenten und Musiklehrern zusammensetzt - wie er sagt, eine «Karriere» zu ermöglichen. Gilt es doch auf den Philippinen als Privileg, im Ausland aufgewachsen zu sein. Ausserdem, so sagt Cabantac, der selber mittlerweile eine Musikschule führt, sollen die Sänger und Tänzer fremde Kulturen kennen lernen.

 

«Schnee soll etwas Furchtbares sein»

Das war auch Vincents Intention, als er dem Ensemble im vergangenen August beitrat. Der 24-Jährige, von Beruf Physiotherapeut, wollte, wie er sagt, «neue Kulturen kennen lernen, neue Freundschaften knüpfen». Kurzum: Neue Erfahrungen, die ihm in ihrer Summe «den Blick für neue Perspektiven» öffnen sollen. Vor allem freue er sich darauf, einmal eine echte europäische Oper von innen zu sehen, sagt er. Weniger Wert indes legt er auf die Bekanntschaft mit Schnee. «Das soll etwas absolut Furchtbares sein», habe man ihm erzählt.

Cabantac und Bosshard werden indes schon dafür sorgen, dass er seine Furcht vor der weissen Pracht verliert. Ein Ausflug in die Alpen ist nämlich jedes Jahr Teil des (spärlichen) Freizeitprogramms, so Bosshard. Zum Trost für Vincent: Auch eine Oper gehört dazu.

Jährlich erneuerte Freundschaft Margreth Bosshard (stehend, Zweite von links) und ihre Familie beherbergen Jahr für Jahr mehrere Wochen Thomas Cabantac (stehend, Zweiter von rechts) und sein «Manila Vocal Ensemble». hönig

 

KONZERTTERMINE

Im Fricktal beziehungsweise der näheren Region tritt das «Manila Vocal Ensemble» an folgenden Terminen auf:

10. April: Kaisten, Katholische Kirche (20 Uhr).
13. April: Bad Säckingen, Katholische Kirche Heilig Kreuz, 19.30 Uhr.
20. April: Laufenburg-Luttingen, Katholische Kirche, 10.30 Uhr.
4. Mai: Koblenz, Reformierte Kirche, 20 Uhr